Erfahrungsbericht Brillenkauf: Gleitsichtbrille mit Zeiss Digital Brillengläsern

Neue Brille
Neue Brille

Vorweg: ich (Betreiber dieser Seite) bin von einer Marketing-Agentur kontaktiert worden, ob ich nicht die neuen "Zeiss Digital Brillengläser" testen wolle. Das passte mir ganz gut, weil meine alte Brille (eine gute Götti mit Einstärkengläsern) bereits 4 Jahre alt war und ich inzwischen gewisse Defizite vor allem in der Nahdistanz feststellen konnte. Ich habe mich daher darauf eingelassen. Ich versichere, dass ich den folgende Testbericht unabhängig und ohne Vorgaben geschrieben habe. Die Brillengläser werden mir zwar (dauerhaft) zur Verfügung gestellt, das Gestell habe ich jedoch aus eigener Tasche bezahlt. Der Optiker "Offensichtlich®" wurde mir von Zeiss empfohlen, ich kann ihn aber guten Gewissens weiterempfehlen. [Der Artikel ist recht lang, eine kurze Fassung gibt es im Blog: Müde Augen und latente Kopfschmerzen durch PC- und Smartphone-Nutzung]

Was sind "Digital Brillengläser"?

Digitale Brillengläser ist ein Label von Zeiss, einem der großen Hersteller von Brillengläsern. Im Grunde sind es Gleitsichtgläser, die jedoch für die Nutzung digitaler Geräte (PC, Tablet, Smartphone) optimiert sind. Man könnte sie auch "Gleitsichtbrille light" oder eine "Einstiegsgleitsichtbrille" nennen.

Die dauerhafte Nutzung digitaler Displays führt auf Dauer zu "digitalem Sehstress". In der Tat kenne ich auch dieses Phänomen, dass man nach einigen Stunden intensiver Computerarbeit durchaus schmerzende Augen bis hin zu latenten Kopfschmerzen bekommt. Allerdings hatte ich das vorher auf die Arbeit an sich und nicht so sehr auf das Sehen bzw. eine ungeeignete Brille zurückgeführt.

Veränderte Sehgewohnheiten bei mobilen Displays
Veränderte Sehgewohnheiten bei mobilen Displays

Um es vorweg zu nehmen: ich habe die neue Digital-Brille jetzt seit vier Wochen in Benutzung - und bei allen "Problemen", die ich im folgenden noch schildere, muss ich sagen: in der Tat habe ich seither keine Kopfschmerzen oder "müde Augen" mehr gehabt. Ich kann es nicht beweisen, aber es ist evident, dass das mit der neuen Brille zusammen hängt.

Offensichtlich ...

Doch der Reihe nach. Mein erster Gang führte zu dem Augenoptiker Offensichtlich® in der Jägerstraße in Berlin Mitte. Der von außen etwas unscheinbare Optiker nahe der Galerie Lafayette ist innen angenehm hell und weiträumig. Empfangen wurde ich von der Optikermeisterin Jana Ropertz, die mich kenntnisreich beraten konnte und meine aktuellen Augenwerte gemessen hat.

Optiker Fachgeschäft Offensichtlich Berlin
Optiker Fachgeschäft (Offensichtlich® in Berlin)

Der Sehtest

Der Höhepunkt des ganzen Unternehmens war ohne Frage der Sehtest, mit dem Frau Ropertz die exakten Werte meiner Augen vermaß. Obwohl ich seit fast 30 Jahren eine Brille trage: so einen Sehtest habe ich noch nie gemacht. Im Grunde ist es logisch: je komplexer und besser das Brillenglas, um so exakter müssen natürlich die Werte sein, die im Brillenpass stehen - und anhand derer das optimale Brillenglas hergestellt wird.

Natürlich wurde zunächst die Sehschärfe an sich getestet. Erfreulich: mein Visus ist mit 1,25 recht gut. Auch das Lesen im Nahbereich aufgrund der Alterssichtigkeit ist noch nicht besonders stark ausgeprägt. Gut war, dass die Optikerin die Dioptriewerte nicht nur - wie oft üblich - in Viertelschritten gemessen hat, sondern in Achtelschritten. Ich konnte hier noch Unterschiede feststellen.

Winkelfehlsichtigkeit festgestellt

Sehtest für Winkelfehlsichtigkeit
Sehtest für
Winkelfehlsichtigkeit

Dann wurde es richtig interessant: mithilfe von polarisierenden Filtern (als vorgesetzte Gläser) werden die beiden Augen separat analysiert. Das linke Auge sieht einen waagerechten Balken, das rechte einen horizontalen. Diesen beiden Einzelbilder werden dann synchronisiert ("binokulares Sehen"): optimalerweise sieht es so aus wie in der Abbildung rechts. Bei mir war allerdings der vertikale Balken nach links verschoben. Es stellte sich so heraus, dass ich eine leichte Winkelfehlsichtigkeit habe. Meine Augen sind also nicht 100% synchron ausgerichtet.

Im Grunde ist es ein minimales Schielen, dass man von außen nicht bemerkt. Ich selber bekomme davon nichts mit, weil das Gehirn in der Lage ist, diese minimale Differenz aktiv auszugleichen. Aber: das bedeutet Arbeit für das Gehirn. Und diese Ausgleichsarbeit kann auf Dauer belastend sein.

Alle brechungsbasierten Fehlsichtigkeiten sind korrigierbar, wenn ...

Das war für mich neu, und obwohl ich bereits viele Brillen bekommen habe, und viele Sehtest gemacht habe: das wurde noch nie diagnostiziert. Es ist aber nicht weiter schlimm: denn mithilfe eines prismatischen Glases kann das korrigiert werden (grundsätzlich können ja alle Fehlsichtigkeiten, die auf Brechungsfehlern basieren, mithilfe von Brillen korrigiert werden - man muss sie nur eben erst mal diagnostizieren).

Wellenfront Messgerät (iProfiler)
Wellenfront Messgerät (iProfiler)

Astigmatismus

Natürlich wurde auch noch eine leichte Hornhautverkrümmung (Astigmatismus) festgestellt. Auch das ist weit verbreitet und an sich nicht bedenklich. Auch hier gilt: nur wenn man das exakt misst, kann man auch ein wirklich geeignetes Brillenglas herstellen. Mithilfe des Wellenfront Messgerätes lässt sich die Oberfläche der Hornhaut exakt vermessen.

Foto vom Fundus

Fundus des Auges
Fundus des Auges

Abschließend wurde mithilfe einer Fundus-Kamera noch die Augeninnenseite fotografiert. Darauf erkennt man neben der Netzhaut (Retina) vor allem die Blutbahnen (wegen der z.B. auch Augen auf Fotos häufig rot aussehen) und den Sehnerv. Anhand des Fotos kann man erkennen, dass die Netzhaut in Ordnung ist, gut durchblutet ist und der Augeninnendruck normal ist. Beim Verdacht auf einen Glaukom (Grüner Star) wird man natürlich umgehend zum Augenarzt geschickt.

Pupillendistanz

Im letzten Schritt wurde die Pupillendistanz gemessen. Das geht nicht Pi mal Daumen, sondern mit einer speziellen Kamera. Hier das Auswertungsfoto:

Pupillendistanz
Pupillendistanz, vom Optiker vermessen

Das ist schon wesentlich exakter als das, was man selber mithilfe eines ausgedruckten Pappstreifens vor dem Spiegel ermittelt - und für optimale Brillengläser unumgänglich.

Fazit: ein professioneller Sehtest ist Grundlage für eine wirklich gute Brille!

Ein solcher Sehtest kostet mit bis zu 80 Euro deutlich mehr als "mal eben so ein paar Buchstaben lesen". Aber ich kann nur sagen: es lohnt sich. Die Seherfahrung mit optimalen Brillengläsern ist wirklich eine andere, angenehmere. Zumindest für all diejenigen, die ihre Brille dauerhaft den ganzen Tag tragen. Sehen ist wie Essen oder Atmen etwas Fundamentales. Wer beim Sehtest knausert, riskiert die Lebensqualität zu verringern. Und wenn man seine Brille dann bei dem Optiker bestellt, ist der Sehtest in aller Regel in den Kosten inbegriffen.

Das Brillengestell

Nun fehlte noch ein passendes Gestell. Ich wollte eine Vollrandbrille, die einerseits nach "Brille" aussieht, aber andererseits nicht zu extrovertiert daherkommt. ich habe mich schließlich für ein Modell von Framers entschieden, einem jungen Berliner Brillendesign-Label. So sieht sie aus...

Neue Brille
Meine neue Brille

Die Brille ist so, wie ich sie brauche: stabil, aber nicht zu schwer. Und das Design gefällt denen, die mich täglich sehen und mir natürlich auch - obwohl ich mich ja selbst fast nie mit Brille sehe :-)

Warten auf die neue Brille

Ich bin davon ausgegangen, das es bis zu zwei Wochen dauert, bis die neue Brille fertig ist. Aber nein: bereits nach vier Tagen hatte ich eine Email im Postfach, dass ich die neue Brille abholen könne. Ich kann eine "Sonderbehandlung" nicht ausschließen (obwohl das auf meine Nachfrage hin verneint wurde), aber auf jeden Fall ging das Ganze sehr schnell.

Die neuen Zeiss Digital-Gläser

Es ist meine erste Gleitsichtbrille, die ich dauerhaft trage. Das fokussierte Bild war und ist messerscharf. Aber ...

Die Eingewöhnung verlief deutlich anders als ich dachte. Schwindelgefühlen oder verzerrte Bilder hatte ich gar nicht. Was allerdings im Vergleich zur Einstärkenbrille richtig "nervte": man kann nicht mehr aus den Augenwinkeln sehen. Das Bild einer Gleitsichtbrille ist für unterschiedliche Sehdistanzen optimiert. Soweit so gut. Was ich nie bedacht hatte: es ist im Grunde nur für das Geradeaussehen optimal. Wenn man aus den Augenwinkeln nach links oder rechts schaut, ohne den Kopf zu drehen, wird das Bild unscharf. Das war bei der Einstärkenbrille nie der Fall. Besonders deutlich wird der Effekt, wenn man den Kopf bewegt, während man einen Gegenstand fokussiert. Je weiter man den Kopf dreht, desto unschärfer wird der Gegenstand.

Mir ist erst mit der neuen Brille bewusst geworden, wie häufig ich aus den Augenwinkel gesehen habe. Beim Fahrradfahren muss man den Kopf nach unten neigen, um Dinge auf dem Weg wirklich scharf zu sehen. Das gleiche, wenn man auf dem Balkon steht. Beim Autofahren wird der schnelle Schulterblick zu einem Glücksspiel: inzwischen drehe ich den gesamten Körper mit.

Ich trage die neue Brille seit gut vier Wochen. Wie eingangs geschildert habe ich keinerlei Probleme mit angestregten Augen. Die Qualität der Zeiss-Gläser ist, soweit ich das beurteilen kann, wirklich gut. Die Seherfahrung beim geradeaus-Sehen ist wirklich erstklassig. Es fühlt sich irgendwie leichter, weicher, lockerer an als mit der alten Einstärkenbrille. Aber eben nur beim geradeaus-Sehen...

Gleitsichtbrille
Gleitsichtbrille

Brauche ich eine Gleitsichtbrille?

Ich bin mir noch nicht so ganz sicher, ob ich wirklich schon eine Gleitsichtbrille brauche. Gerade das oben beschriebene "aus den Augenwinkeln"-scharf-sehen fehlt mir doch immer wieder. Andererseits gewöhne ich mich langsam an den Zustand und stelle fest, dass ich eben den gesamten Kopf mitdrehe.

Der Effekt mit den "Digital-Gläsern" ist in meinen Augen nicht offensichtlich. Meine Bildschirme sind recht groß und stehen daher in ca. 70 cm Entfernung. Die Sehschärfe war vorher kein Problem und ist es jetzt auch nicht. Allerdings habe ich gefühlt tatsächlich weniger "Augenstress". Erst mit der neuen Brille beginne ich, hier einen Zusammenhang zu sehen.

Das betrifft insbesondere auch das Dämmerlicht- und Nachtsehen. Denn das war stets schwierig, weil Lichtquellen stets einen Strahlenkranz geworfen haben. Nun kann ich bei Dunkelheit deutlich besser sehen.

Ich werde noch mal vier Wochen abwarten und dann entscheiden, ob ich nicht doch wieder eine Einstärkenbrille bestelle. Die Zeiss Digitalbrille lasse ich dann einfach ein, zwei Jahre in der Schublade, bis das Lesen in der Nahdistanz so anstregend wird, dass ich wirklich eine gute Gleitsichtbrille brauche.

Kosten

Abschließend noch ein Wort zu den Kosten. Das Brillengestell von Framers hat 269 Euro gekostet. Hinzu kommen die Gleitsicht Brillengläser von Zeiss, die individuell pro Stück ca. 400 Euro kosten würden (den genauen Preis kenne ich gar nicht, und er hängt auch vom Aufwand ab). Bei mir gab es wie oben geschildert eine Menge kleiner Brechungsfehler, die eingearbeitet werden mussten.

So eine hochwertige Gleitsichtbrille kostet dann über 1000 Euro - und es stellt sich die Frage, ob das gerechtfertigt ist. Siehe dazu auch: Gleitsichtbrillen-Preise (200 - 1400 Euro) - Warum?

Meine persönliche Einschätzung - insbesondere nach dem umfangreichen Sehtest: ja, das hat sich gelohnt. Denn klare und gute Sicht ist die Voraussetzung für meine Arbeit. Und angestrengte Augen und latente Kopfschmerzen sind auf Dauer nervig und kontraproduktiv. Hochwertige Brillengläser sind das A und O für gutes Sehen.

Kurzum: auch wenn ich mir eine neue Einstärkenbrille hole, werde ich die Gläser individuell anfertigen lassen und auf höchste Qualität achten - auch wenn das teurer ist als bei manchem Online-Optiker...

Übrigens: wenige Tage, nachdem ich die neue Brille hatte, ging meine alte kaputt. Das nennt man wohl "Glück im Unglück" bzw. umgekehrt :-)

Kommentare und Erfahrungen zu diesem Thema/Artikel bitte in diesem Blogartikel:
"Müde Augen und latente Kopfschmerzen durch PC- und Smartphone-Nutzung"

Brille kaputt!
Brille kaputt!? Gut, wenn man schon eine neue hat ...

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