Was ist Heterophorie?

Heterophorie: Winkelfehlsichtigkeit
Heterophorie: Winkelfehlsichtigkeit

Als Heterophorie bezeichnet man ein kaum merkliches Schielen der Augen. Man bezeichnet es auch als latentes Schielen - latent deshalb, weil es nur ab und zu auftritt. Normalerweise können Betroffene normal sehen, weil die Heterophorie durch die sog. motorische und sensorische Fusion, einem Mechanismus im Auge, korrigiert wird. Statistische Untersuchungen haben ergeben, dass Heterophorien bei etwa 70-80% der Bevölkerung vorkommen. Die allermeisten Betroffenen sind allerdings beschwerdefrei und bemerken gar nicht, dass sie heterophob sind.

Sehfehler bei einer Heterophorie

Idealerweise werden die beiden Augen so gesteuert, das ihre Blickachsen exakt synchron verlaufen. Bei einer Heterophorie ist das nicht der Fall: eine der beiden Achsen ist etwas aus dem Lot. Die folgende Grafik kann das veranschaulichen:

Winkelfehlsichtigkeit
Heterophorie / latentes Schielen

Je nachdem, in welcher Richtung die Achse aus der normalen Bahn läuft, unterscheidet man:

Bei der Exophorie kann man noch unterscheiden, ob der wahrgenommene abbildunsgfelher in der Ferne oder in der Nähe liegt. Normalerweise kann das betroffene Auge den Fehler durch zwei Verfahren korrigieren:

Mit Hilfe der äußeren Augenmuskeln wird "gegengesteuert"

Da soweiso beide "Einzelbilder" im Sehnerv zusammenfließen, kann der minimale Abbildungsfehler "herausgerechnet" werden (sog. Fusion, Vereinigung).

In manchen Fällen gelingt das jedoch nicht optimal. Die betroffene Person versucht dann unwillkürlich, den Abbildungsfehler mithilfe von Akkommodation der Augenlinse zu korrigieren (auch als Pseudo-Myopie bezeichnet). Das ist anstrengend und führt relativ schnell zu ermüdeten Augen und Kopfschmerzen. Nur in diesem Fall ist eine Behandlung angezeigt.

Eine Heterophorie kann anhand der verwendeten Untersuchungsmethodik in dissoziierte und assoziierte Heterophorie unterschieden werden. Eine assoziierte Heterophorie wird von manchen Augenoptikern und einigen wenigen Augenärzten in enger Verbindung mit einer bestimmten Verfahrensweise (MKH = Mess- und Korrektionsmethode nach Haase) auch Winkelfehlsichtigkeit genannt.

Winkelfehlsichtigkeit
Winkelfehlsichtigkeit

Sehtest für Heterophorie

Es gibt inzwischen vier gut erprobte Verfahren, mit denen man eine Heterophorie diagnostizieren kann. Am bekanntesten ist vermutlich der Test mit dem Fadenkreuz, der auf polarisierenden Filtern basiert. Das Prinzip geht so, dass ein vertikaler Strich und ein horizontaler Strich so in Übereinstimmung gebracht werden, dass sie ein exaktes Kreuz ergeben (anders als in der folgenden Grafik ist das echte Testbild beim optiker nicht farbig, sondern besteht aus dunkelgrauen Streifen).

Weitsichtigkeit (Auge)
Ursache einer Weitsichtigkeit

Ein Testbild besteht aus zwei Teilen, die Licht unterschiedlicher Wellenlängen ausstrahlen. Als Beispiel: ein waagerechter Balken strahlt die Wellen A aus, ein horizontaler Balken strahlt die Wellen B ab. Wenn wir das Bild mit beiden Augen betrachten, sieht es aus wie ein normales Kreuz (siehe Abbildung rechts).

Winkelfehlsichtigkeit Sehtest
Winkelfehlsichtigkeit Sehtest
Eindruck beim Augenoptiker

Vor das linke Auge wird nun ein Glas gesetzt, das nur bestimmte Lichtwellen (A) durchlässt. Die Wellen B des horizontalen Balkens werden von dem Brillenglas absorbiert (verschluckt). Wenn das rechte Auge nun geschlossen ist, kann man durch dieses Brillenglas nur den waagerechten Balken sehen.

Vor das linke Auge wird das andere Glas gesetzt, durch das man nur den horizontalen Balken erkennen kann.

Solange nur eines der beiden Augen sieht, ist kein Fehler zu bemerken. Aber wenn man nun den Blick für beide Augen freigibt (sog. binokulares Sehen), dann zeigt sich, ob man eine Heterophorie hat: denn nur, wenn man ein exaktes Kreuz sieht, liegt keine Heterophorie vor.

Wenn der waagerechte Balken nach oben oder unten verschoben ist, dann hat man eine "vertikale Winkelfehlsichtigkeit". Wenn der horizontale Balken nach links oder rechts verschoben ist, dann hat man eine "horizontale Winkelfehlsichtigkeit".

Korrektur durch prismatisches Glas

Da es sich um ein brechungsbasierte Fehlsichtigkeit handelt, kann man sie problemlos mithilfe einer Brille korrigieren. Dafür muss das Brillenglas ein eine Richtung etwas stärker werden. Da die Form dann einem Prisma ähnelt, nennt man es auch "prismatisches Brillenglas", siehe Prismenbrille.

Winkelfehlsichtigkeit und Gleitsichtbrille?

Wenn man sich eine Gleitsichtbrille kauft, kommt es anfangs meist zu Problemen bei der Eingewöhnung. Das liegt vor allem daran, dass man lernen muss, den Kopf mitzudrehen, anstatt aus den Augenwinkeln zu schauen. Nach einigen Tagen haben sich die meisten daran gewöhnt. Aber bei manchen Menschen stellt sich keine Besserung ein. Im Gegenteil: Wenn sie die neue Gleitsichtbrille targen, kommt es auch nach Tagelangem Tragen nach ca. 30 - 60 Minuten zu Kopfschmerzen und manchmal sogar Übelkeit.

Gleitsichtbrille
Gleitsichtbrille

Wenn diese Betroffenen dann versuchen, diese Brille beim Optiker zu reklamieren, werden sie meist damit abgespeist, dass alles korrekt vermessen sei. Aber: nicht selten wurde dann der Test auf Heterophorie vergessen. Denn bei einer Heterophorie stimmen die Durchblickpunkte dann nicht, was sich bei einer Gleitsichtbrille besonders bemerkbar macht. Das ist natürlich auch deshalb so ärgerlich, weil eine Gleitsichtbrille um ein Vielfaches teurer ist als eine Einstärkenbrille.

Abhilfe schafft dann nur ein prismatisches Gleitsichtbrillenglas. Falls Sie davon betroffen sind: Haben Sie einen Winkelfehlsichtigkeitstest gemacht - so wie oben beschrieben? Falls nicht, suchen Sie sich einen Optiker, der so einen Sehtest anbietet ("Der Sehtest mit den waagerechten und senkrechten Balken, die ein Kreuz ergeben.").

Fragen Sie nach ...

Die Heterophorie wird häufig nicht diagnostiziert. Denn sie wird häufig gar nicht getestet. Auch in den Standard-Brillenpass-Vordrucken gibt es keine Möglichkeit, diese Werte einzutragen. Fragen Sie also nach, ob Ihr Optiker so einen Sehtest machen kann.

Nicht selten ist eine leichte Winkelfehlsichtigkeit die Ursache für müde Augen und latente Kopfschmerzen. Mit der richtigen Brille mit prismatischen Gläsern werden die Abende nach stressigen Arbeitstagen - insbesondere wenn man viel am PC arbeitet - deutlich angenehmer. Siehe dazu auch: Müdes Augen und latente Kopfschmerzen durch PC- und Smartphone-Nutzung

Quellen / Links